Nirgendwo trifft das so zu wie auf dem Bau:
Die Baufirma oder der Handwerker muss eine der vertraglichen vereinbarten Beschaffenheit entsprechende, in der Regel außerdem gebrauchstaugliche Leistung herstellen.
Bleibt die tatsächliche Leistung hinter diesen Anforderungen zurück, dann liegt ein Mangel vor, wobei es dafür überhaupt nicht darauf ankommt, ob der betreffende Handwerker selber etwas falsch gemacht hat oder nicht.
Wenn das Fenster nicht vollständig regendicht ist oder der Putz abblättert, dann ist es unerheblich, ob der Fensterbauer oder der Putzer etwas für diese Erscheinung kann; es kommt zunächst einmal nur darauf an, dass wir die angegebenen Erscheinungen beobachten.
Deshalb haftet eine am Bau beteiligte Firma immer auch für Fehler anderer.
Schon deshalb muss der Blick des Baubeteiligten immer über den eigenen Beitrag hinaus gehen.
Andere Aspekte sind z.B. die Gestaltung von Anschluss-und Übergabepunkten zwischen zwei Leistungen oder Gewerken; die Rücksichtnahme auf bereits teilweise erbrachte Leistungen anderer Beteiligter; die Bedeutung der planerischen Vorgaben der Architekten oder Sonderfachleute für die einzelnen Handwerker und natürlich, und das knüpft an das Kapitel über den technischen Fortschritt an, die Verwendung von technischen Plattformen in digitaler Form, welche allen Beteiligten als (einzige) Informationsquelle dienen sollen.
In all den beschriebenen Sachverhalten bestehen zwischen den genannten Beteiligten regelmäßig gerade keine vertraglichen Beziehungen:
Die Baumeisterfirma hat keinen Vertrag mit der Architektin, deren Pläne nicht berücksichtigt haben, dass im Baugrundstück stehendes Grundwasser vorhanden ist.
Der Fensterbauer hat keinen Vertrag mit der Holzbaufirma, deren Mitarbeiter seine bereits eingebauten Fenster beschädigen.
Der Elektriker hat keinen Vertrag mit dem Elektrofachplaner, dessen Änderungen aufgrund von Wünschen des Bauherren er technisch richtig umsetzen soll.
Alle mit Ausnahme wahrscheinlich des Bauherren, vielleicht aber auch eines Generalunternehmers oder Generalsplaners, haben keinen Vertrag mit derjenigen Firma oder Person, welche die BIM-Plattform zur Verfügung stellt.
Rechte und Pflichten können im deutschen Zivilrecht nur entstehen unmittelbar durch Vorgaben des Gesetzgebers (Beispiel: Unerlaubte Handlung: Niemand darf vorsätzlich oder fahrlässig andere Personen oder fremde Sachen verletzen bzw. beschädigen) oder durch die Personen, welche selber Pflichten zu ihren Lasten schaffen und damit korrespondierende Rechte für andere.
Dafür ist das typische und bekannteste Beispiel der Vertrag.
Das Vertragsmodell des BGB kennt nur zwei Beteiligte:
- Käufer und Verkäufer.
- Besteller und Unternehmer.
- Mieter und Vermieter, usw.
Die Beteiligung Dritter erfolgt regelmäßig indirekt, indem diese Beteiligung sich auf das Verhältnis der beiden Vertragspartner auswirkt:
Der Mieter darf die Miete mindern, wenn durch Aktionen Dritter die Mietsache in ihrem Gebrauch eingeschränkt ist oder dieser Gebrauch gar nicht möglich ist.
Der Bauhandwerker kann dem Auftraggeber entgegenhalten, dass die Planung des vom Auftraggeber beauftragten Sonderfachmanns technisch fehlerhaft war.
Der Handwerker muss die von einem anderen Handwerker beschädigte Leistung im Verhältnis zum Auftraggeber noch einmal ausführen, ohne dafür zusätzliche Vergütung beanspruchen zu können.
In beiden Fällen hat jemand anderer etwas falsch gemacht, jemand der überhaupt nicht Vertragspartner ist, und trotzdem wirkt es sich im Vertragsverhältnis aus.
Wenn ganz besonders am Bau ohnehin niemand damit auskommt, nur seine eigene Leistung und sein eigenes Verhältnis zum jeweiligen Vertragspartner im Blick zu haben, dann erscheint es sinnvoll, unter anderem auch, um das Bewusstsein für diese Welt außerhalb des eigenen Vertrages zu wecken, von vornherein vertragliche Regelungen zu finden für solche Einflüsse von außen und deren Auswirkungen.
Dies wird umso dringender, als auch hier der technische Fortschritt in Gestalt der Digitalisierung die Möglichkeiten und Notwendigkeiten für Einflüsse von außerhalb des Vertragsverhältnisses gewaltig verstärkt.