Als Reformziel des neuen Wohnungseigentümergesetzes (WEMoG) wurde in der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 19/18791) unter anderem formuliert:
Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums soll effizienter gestaltet werden, indem die Rolle der rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer klar konzipiert (Hervorhebung durch Verf.) und ihre Teilnahme am Rechtsverkehr vereinfacht werden.
Man könnte die erfolgreiche Umsetzung dieses gesetzgeberischen Ziels – zumindest bis zum 11. November 2022 – durchaus anzweifeln. Denn bis dahin tappte man im Dunkeln hinsichtlich der Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft. Konkret: Eben nicht „klar konzipiert“ war bis zum BGH-Urteil V ZR 213/21 die seit der Änderung des Wohnungseigentümergesetzes ungeklärte – jetzt bejahte – Frage, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft auch weiterhin berechtigt ist, die Mängelrechte der Wohnungseigentümer (aus Kaufverträgen oder Bauträgerverträgen bzw. Werkverträgen) durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich zu ziehen. Berechtigt, aber zum Vergemeinschaftungsbeschluss auch verpflichtet, soweit die Wohnungseigentümergemeinschaft als aktivlegitimierte Klägerin im Prozess auftreten möchte. Denn der BGH hat in seinem Urteil auch erklärt, dass sich hierfür aus dem neuen § 9a Abs. 2 WEG allein keine Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft ergibt. Eine Vergemeinschaftung der Mängelrechte ist deshalb erforderlich.
Das Problem der Aktivlegitimation stellt sich überhaupt nur wegen der dinglichen Rechtslage im Kontext einer Wohnungseigentümergemeinschaft: Beziehen sich die Mängel und damit die den Mängeln zugrundeliegenden Kaufverträge oder Bauträgerverträge bzw. Werkverträge jeweils nur auf das Sondereigentum eines einzelnen Wohnungseigentümers, kann er unproblematisch allein klagen – Es geht ja um sein – und nur sein – ihm konkret zugeordnetes „Kuchenstück“ (in Gestalt seiner eigenen Wohnungseinheit).
Schwieriger wird es dann, wenn mangelbehafteter Leistungsgegenstand das Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht das Sondereigentum des Einzelnen ist, etwa der neu verlegte Boden im Treppenhaus oder das Dach der Immobilie. Dann funktioniert die „Kuchenanalogie“, also die Zuordnung des mangelhaften Vertragsgegenstands zum Einzelnen als dessen „Kuchenstück“, nämlich nicht mehr. Sondern es geht beim betroffenen Leistungsgegenstand um den ideellen Anteil (Bruchteil) der Wohnungseigentümer am Gemeinschaftseigentum. Es stellt sich deshalb die Frage nach der Aktivlegitimation: Muss, kann oder darf trotzdem der einzelne Wohnungseigentümer als Mängelrechteinhaber klagen oder (sinnvollerweise) die Wohnungseigentümergemeinschaft als das Gemeinschaftseigentum verwaltende Einheit?
Bis zur Gesetzesreform war die Vergemeinschaftung von Mängelrechten der Wohnungseigentümergemeinschaft gängige Praxis. Die Mängelrechte der einzelnen Wohnungseigentümer wurden an die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verwalterin des Gemeinschaftseigentums qua Vergemeinschaftungsbeschluss abgetreten. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG a.F. lautete:
[Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer] übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind.
Bis zur Gesetzesreformierung lag die Kompetenz zur Geltendmachung und Durchsetzung der Mängelrechte also grundsätzlich beim einzelnen Wohnungseigentümer; somit konnte und musste die Wohnungseigentümergemeinschaft durch einen Vergemeinschaftungsbeschluss die Anspruchsinhaberschaft an sich ziehen.
Durch die Gesetzesreform zum WEG (WEMoG) ist die Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft in § 9a Abs. 2 WEG n. F. neu geregelt worden. Dort heißt es:
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr.
Die oben erläuterte Rechtsunsicherheit in der Praxis hat sich durch die Gesetzesänderung wegen schlichter Subsumtionsschwierigkeiten ergeben. Man war sich nicht sicher, ob die Mängelrechte der Wohnungseigentümer unter den Gesetzeswortlaut des neuen § 9a Abs. 2 WEG zu subsumieren sind. Sprich, ob sich die Mängelrechte „aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben“ oder „eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern“. Damit wäre bereits qua Gesetz die Wohnungseigentümergemeinschaft zu ihrer Ausübung befugt gewesen. Und ein Vergemeinschaftungsbeschluss bezüglich der Mängelrechte damit entbehrlich, sogar unwirksam. Man konnte also nur mutmaßen, ob Vergemeinschaftungsbeschlüsse weiterhin erforderlich und wirksam sind und nach altem Recht gefasste Beschlüsse ihre Wirksamkeit behalten.
Der BGH hat schließlich durch sein Urteil vom 11. November 2022 klargestellt, dass es bei der bisherigen flexiblen Praxis bleibt, die Mängelbeseitigung betreffende Beseitigungsansprüche können weiterhin durch Mehrheitsbeschluss „vergemeinschaftet“ werden. § 9a Abs. 2 WEG n. F. tut hier (unmittelbar) also gerade nichts zur Sache.
Denn § 9a Abs. 2 WEG n. F. wirkt sich auf die bisherige Rechtslage aus folgendem Grund nicht aus: Die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten primären Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer unterfallen nicht der Ausübungsbefugnis gemäß § 9a Abs. 2 WEG n. F. Der BGH begründet dies damit, dass die Mängelrechte sich nicht aus dem Gemeinschaftseigentum ergeben, sondern aus den jeweiligen Kauf-, Bauträger- oder Werkverträgen. Gerade deshalb müssen sie auch nicht einheitlich geltend gemacht werden. Müssen nicht, können aber. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann die einzelnen Mängelrechte weiterhin durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen. Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft für Vergemeinschaftungsbeschlüsse aus der Verwaltungsbefugnis für das Gemeinschaftseigentum ergibt sich laut BGH aus § 18 Abs. 1 WEG n. F. und der diesbezüglichen Erhaltungspflicht, § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG n. F.
Aus der oben zitierten Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 19/18791) ergibt sich laut BGH nämlich der Wille des Gesetzgebers, dass die bisherige BGH-Rechtsprechung zur Geltendmachung und Vergemeinschaftung von Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen auch nach der Gesetzesänderung weiter gelten soll. Nur diese Sichtweise trage der nach der Reform unveränderten Interessenlage der Wohnungseigentümer hinreichend Rechnung.
Für den BGH schien die Konzeption der Mängelrechte und deren Vergemeinschaftung also offenbar doch, wie vom Gesetzgeber des WEMoG beabsichtigt „klar konzipiert“ – oder der BGH hat nachgeholfen und nun für diese Klarheit gesorgt.
Kurz gesagt: Wohnungseigentümergemeinschaften können bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum auch nach neuem Recht vor Gericht ziehen, wenn sie das zuvor beschlossen haben.
In unserer Kanzlei gehört das Wohnungseigentumsrecht zu den regelmäßig von uns bearbeiteten Rechtsgebieten. Wir vertreten Wohnungseigentümergemeinschaften und deren Hausverwaltungen ebenso wie einzelne Wohnungseigentümer. Unser Vorteil ist, dass wir auch im zivilen und öffentlichen Baurecht gerichtlich und außergerichtlich tätig sind und uns deshalb ständig mit Bauverträgen, Baumängeln, Baugenehmigungsverfahren und anderen baubehördlichen Verfahren befassen. Damit können wir unsere Mandanten fachlich übergreifend beraten und vertreten. An unseren Standorten in Wasserburg am Inn, Rosenheim, Ebersberg und München stehen wir Ihnen jederzeit für ein Beratungsgespräch zur Verfügung.