Das Bay. Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hat am 22.01.2021 eine „Baurechtliche Beurteilung von Mobilfunkanlagen“ veröffentlicht:
Solche Rundschreiben haben (nur) empfehlenden Charakter, sind für die baubehördliche Praxis aber von großer Bedeutung.
Hier lohnt ein Blick zurück, denn der sog. Mobilfunk-Erlass vom 16.07.2001 (BayIMS AZ: IIB4-4104-038/00) bot den Kommunen in Ziff. 5.4.4 noch sehr Ernüchterndes:
„Insbesondere kann die Gemeinde nicht Alternativstandorte in das Verfahren einbringen (…). Es liegt in der Entscheidung des Bauherrn, an welchem Standort die Anlage errichtet werden soll (…).“
Folglich werden viele, vielleicht sogar die meisten Standorte in jenen Jahren mit langen Laufzeiten realisiert worden sein, weil man in Verwaltung und Ratspolitik dachte, eh nichts ausrichten zu können. Denn obige Verlautbarung klang doch sehr nach einem Freifahrtschein; dass dieser auch schon damals den Betreibern nicht ausgestellt war (OVG Münster vom 06.05.2005 – 7 B 2752/04), hat man kaum zur Kenntnis genommen.
Eine Kehrtwende bedeuteten hier die Urteile des BayVGH vom 02.08.2007 (s. Herkner, BauR 2008, 624 ff.) und letztlich des BVerwG vom 30.08.2012 – 4 C 1.11: statthafte Bauleitplanung wegen „vorsorgerelevanten Risikoniveaus“. Es folgte 2013 der neue § 7a der 26. BImSchV, in dessen Begründung es heißt, dass mit der obligatorischen Beteiligung der Kommunen deren Mobilfunkkonzepte zur Anwendung kommen können (BR-Drs. 209/13).
Am 23.06.2020 erschien eine auch dies berücksichtigende Neufassung des ministeriellen Rundschreibens, in der aber noch davon die Rede war (Ziff. 7.3), dass der „bundesrechtliche Versorgungsauftrag der Mobilfunkbetreiber“ gewahrt werden müsse. Dass es sich beim Mobilfunk aber um keinen sog. Universaldienst handelt i.S.v. Art. 87 f Abs. 1 GG i.V.m. § 78 TKG, hatte der BayVGH schon am 18.03.2003 – 15 N 98.2262 – entschieden. Auch dies wurde nur vereinzelt zustimmend aufgegriffen (so Herkner, BauR 2006, 1399 ff. auf S. 1405 und auch im Buch „Mobilfunkanlagen“, dort S. 178). Endlich dann auch „klipp und klar“ der VGH Mannheim am 02.06.2015 – 8 S 634/13; ferner BT-Drs. 19/2136. Es ist also sehr zu begrüßen, wenn die überarbeitete Fassung vom Januar 2021 in Ziff. 7.1.1 explizit darauf hinweist, dass der Mobilfunk nicht dem Grundversorgungsauftrag unterfällt, so wie er auch übrigens nicht ohne Weiteres „privilegiert“ ist (Ziff. 5.3).
Ggü. der allerorten propagierten Digitalisierung per „5G“ darf und sollte man sich also der städtebaulichen Belange besinnen, die in Ausgleich zu bringen sind. Die genannten Klarstellungen mögen nun also dazu beitragen, dass Gemeinden und Städte selbstbewusster eintreten für den Schutz von Landschafts- und Ortsbild und Immissionsminimierung, sei es im Dialog oder durch planerischen Zwang.
Freilich ist auch diese Version ministerieller Bekundung immer noch teilw. kritik- und verbesserungswürdig. So wird die etwas reservierte Haltung in Ziff. 7.1.2 (Bebauungsplan, ergo Innenbereich) und Ziff. 7.2 (Außenbereich) ggü. bauleitplanerischen Festsetzungen bzw. Darstellungen vornehmlich mit der „Versorgung“ begründet, obwohl diese – als einfaches öffentliches Interesse (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 8d BauGB) – nur ein städtebaulicher Aspekt unter mehreren ist. In Ziff. 7.1.1 immerhin wird genau das erkannt. Was Ortsgestaltungssatzungen angeht (Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO), so ist die Meinung bloß „ausnahmsweiser“ Zulässigkeit von Beschränkungen (s. Ziff. 7.3) nur damit erklärbar, dass u.a. die Entscheidung des BayVGH vom 09.08.2007 – 25 B 05.1340 – schlichtweg übersehen wurde: nicht nur eine Höhenbegrenzung, auch Ausschlüsse sind möglich (zustimmend Decker in Busse/Kraus, BayBO, Art. 81 Rn. 114).
Erfreulich ist die Bezugnahme in Ziff. 6 auf die zur Anwendung empfohlenen LAI-Hinweise aus d.J. 2014. Diese sachverständige Bund/Länder-AG postulierte nämlich u.a. (auf S. 40): „Der Berücksichtigungspflicht genügt der Betreiber insbesondere dadurch, dass er Standortvorschläge der Kommune überprüft und bei Eignung bevorzugt verwirklicht.“ Link: https://www.lai-immissionsschutz.de/documents/ack_1503575775.pdf