Haftet der neue Inhaber der domain für alle geschäftlichen Schulden des bisherigen Inhabers („Altschulden“)?
Diese zunächst möglicherweise etwas überraschende Frage kann nur beantworten, wer sich im IT-Recht ebenso wie im Wirtschaftsrecht zurechtfindet – der Blick auf das Ganze hilft hier weiter. Das Problem ist vor dem Hintergrund des § 25 Handelsgesetzbuch (HGB) angesiedelt. Dort heisst es im Absatz 1:
„Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.“ Wissen muss man hierzu auch: Die langjährige Rechtsprechung zu § 25 HGB kommt bereits bei tatsächlichem „Erwerb“ wesentlicher Teile des „Handelsgeschäfts“ zur Anwendung des § 25 HGB; es reicht aus, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen (z. B. ein Internet-Verkaufsportal) von einer anderen Person mit Einverständnis des bisherigen Gewerbetreibenden faktisch („einfach so“) weitergenutzt werden – ob nun mit oder ohne förmlich ausgearbeiteten Vertrag. Auch den Inhalt des Rechtsbegriffs „Firma“ muss man kennen, um Sachverhalte aus diesem Bereich beurteilen zu können.
„Firma“ bedeutet nämlich nach § 17 HGB:
„(1) Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt.
(2) Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden.“
Stark vereinfacht ausgedrückt ergibt sich somit aus §§ 17, 25 HGB folgende Rechtslage: Wer eine „Firma“ (also: einen „Namen“) fortführt, möchte deren Bekanntheitsgrad nutzen und sich dadurch Vorteile wie z. B. den Zugang zu einem vorhandenen Kundenstamm verschaffen; deshalb muss der die „Firma“ Fortführende auch Nachteile wie die Übernahme von Altschulden in Kauf nehmen. Eine durchaus brisante Situation. Wie sieht das in der Praxis aus?
Das Landgericht Aachen (6 S 226/08) kam in einem Urteil vom 8. Mai 2009 zu dem Ergebnis, dass angesichts der Umstände des dortigen Einzelfalls eine solche Fortführung der „Firma“ nicht schon durch weitere Nutzung einer als Verkaufsportal genützten domain eintrat. Das Landgericht hatte sich hierbei auch damit auseinanderzusetzen, dass auch die „Firma“ des bis dato die domain betreibenden Unternehmens ähnlich klang wie der Name der domain. Allerdings war und ist das dort gefundene Ergebnis des Landgerichts umstritten – der Prozess hätte also auch anders herum ausgehen können.
FAZIT: In solchen Fällen sollte der an der Fortführung einer gewerblich genutzten domain interessierte Unternehmer unbedingt bereits im Vorfeld (!) Rechtsberatung suchen, um unerwünschte firmenrechtliche Ergebnisse zu vermeiden.
In diesem Zusammenhang kann möglicherweise – bei bereits vorhandener Eintragung im Handelsregister – der die Haftung für Altschulden ggf. abwendende Abs. 2 des § 25 HGB helfen – wenn man rechtzeitig (!) das Problem erkannt und gehandelt hat; dort heisst es: „Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.“