Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich in seinem Urteil vom 15.5.2019, Aktenzeichen C-55/18, entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die tägliche Arbeitszeit Ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Da nach dem derzeit in Deutschland geltenden Arbeitszeitgesetz eine solche Verpflichtung – mit Ausnahme von besonderen Arbeitnehmergruppen – erst dann gilt, wenn die höchstzulässige Arbeitszeit von acht Stunden täglich überschritten wird, ist der deutsche Gesetzgeber nun verpflichtet, eine entsprechende Gesetzesänderung vorzunehmen.
Die Entscheidung des EuGH führt zu einer Vielzahl von Fragen und weitreichenden Konsequenzen in der arbeitsrechtlichen Praxis, sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Bedeutet dies das Ende der Vertrauensarbeitszeit und zurück zur Stempelkarte?
Vertrauensarbeitszeit bedeutet(e), dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit im Wesentlichen eigenverantwortlich einteilen können und der Arbeitgeber auf die Kontrolle der Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet.
Vertrauensarbeitszeit dient(e) vor allem der Flexibilisierung von Arbeitszeiten:
Arbeitgeber werben damit, dass Arbeitnehmer dadurch u. a. Familie und Beruf besser in Einklang bringen können. Entscheidend ist nicht die Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz zu bestimmten, festgelegten Zeiten, sondern vielmehr, „dass die Arbeit erledigt wird“. In vielen Berufen ist es zudem möglich, „die Arbeit mit nach Hause zu nehmen“. Viele Arbeitnehmer schätzen an solchen Regelungen ihre zeitliche Flexibilität, ohne Rechenschaft über Arbeits- und/oder Anwesenheitszeiten ablegen zu müssen.
Eine Aufzeichnung der Arbeitszeiten ist deshalb von beiden Seiten oft gerade nicht gewollt. Das soll sich nun ändern: Nach der Entscheidung des EuGH gilt:
„Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“.
Für viele Arbeitgeber wird dies einen zusätzlichen Aufwand bedeuten: Sie sind gehalten, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen.
Aber auch für Arbeitnehmer hat die Entscheidung Folgen. Diese werden künftig verpflichtet sein, ihre Arbeitszeiten aufzuzeichnen und nachzuweisen. Dabei müssen Arbeitnehmer sehr sorgfältig und genau sein. Denn: Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAG vom 13.Dezember 2018 – 2 AZR 370/18) stellen falsche Angaben bei der Arbeitszeiterfassung, genannt Arbeitszeitbetrug, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.
Es bleibt abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber auf die Vorgaben des EuGH reagiert und die Entscheidung in unser nationales Rechtssystem umsetzt. Bis dahin bleibt die Rechtslage unklar. Über die weitere Entwicklung der Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Thema Arbeitszeitaufzeichnung informieren wir weiter in unserem Blog.
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